Plötzlich Erwachsen

oder: Bye bye Kinderkram – Hello Job, Tattoos, Zigaretten und vieles mehr

Kindheit, Teeniezeit, Schule, Hobbies und manche Wunder unseres Benjamin findest du in diesen Artikeln: https://herzeltern.de/familienalltag/benjamin/ , https://herzeltern.de/familienalltag/benjamin-2/ und https://herzeltern.de/familienalltag/reservebank-oder-startelf/

Schulzeit zu Ende und jetzt?

Im Sommer 2021 endete für unseren Benni die Schulzeit- das bedeutete das Ende von 13 Jahren Sonderschulformen, tägliche Taxi-Abholungen direkt vor der Tür, enge Betreuungsschlüssel, meist sehr engagierte und liebenswürdige Betreuende, sehr klare Strukturen und wenig Unvorhersehbares – keine Inklusion sondern eher ein Großwerden in einer sehr geschützten Bubble. 

Für Benni stand schon seit Jahren fest, dass eine „Werkstatt für Behinderte“ für ihn absolutes nogo ist und so waren wir schon lange am Suchen nach dem perfekten Platz für ihn. 

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Und was für ne Ausbildung macht euer Benni jetzt ? 

Diese Frage hören wir nicht selten. Eine ganz normale Frage wenn aus Kindern Erwachsene werden…. Befremdlich für mich wenn sie von Menschen kommt die Benni eigentlich schon länger kennen.  Wo bitte soll jemand in Deutschland eine Ausbildung machen ohne Schulabschluss?

Um es kurz zu machen: Benni ist bei der Stiftung Maribondo über das Arbeitsamt angestellt. Das ist ähnlich wie eine Werkstatt für Behinderte aufgebaut (es gibt hier aber auch viele Menschen mit Körperbehinderungen und Gehörlose ohne geistige Behinderung) nur wesentlich inklusiver und mit vielen tollen Angeboten (kommerzielle Bowlingbahn, Restaurant, Caferterias, Cafés, Kanuverleih, Bäckerei und vieles vieles mehr) https://maribondo.de/ und somit mit vielen Möglichkeiten zum Austesten für Benni.

Was waren und sind wir happy diese super Lösung für Benni gefunden zu haben!

Für uns als Eltern ist es unfassbar, dass unser Benni mit großer Freude und Gewissenhaftigkeit jeden Morgen alleine um 5.00 Uhr aufsteht, mit dem Fahrrad zum Bahnhof radelt um dann noch mit 2 Zügen insgesamt eine Stunde ganz allein unterwegs zu sein. Er ist so stolz, dass er eine Arbeit hat auf der er gebraucht wird, nette KollegInnen hat und sein eigenes Geld verdient (das eher einem kleinen Taschengeld gleicht, ihm aber das Gefühl gibt reich zu sein). Täglich sind wir dankbar wenn er freudestrahlend und unversehrt am Nachmittag nach Hause kommt.

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Vor ein paar Tagen kam der schriftliche Bescheid der zuständigen Behörde, dass die ausführliche Prüfung und Anhörung aller Beteiligten ergeben habe, dass Benjamin immernoch geistig behindert ist. Was für eine Überraschung-nicht! 

Hast du jemals davon gehört, dass eine geistig behinderte Person plötzlich nicht mehr geistig behindert war??? Dass Menschen mit einer geistigen Behinderung sehr vieles lernen können und oft mehr Kompetenzen haben als wir ihnen zutrauen steht außer Frage. Aber ein Mensch mit einer diagnostizierten geistigen Behinderung wird meines Erachtens nach niemals seinen IQ so verändern, dass diese Diagnose nicht mehr zutrifft.

Nicht einmal in der mit Wundern gefüllten Bibel lesen wir eine Geschichte über „Die Heilung des geistig behinderten Teenagers“ der am Straßengraben saß, Jesus ihn beim Vorübergehen „gesund“ machte und er los zog um seinen Studiengang in Physik mit Auszeichnung abzuschließen. Warum nicht? Ich glaube, dass Jesus keine Notwendigkeit darin sah, Menschen mit geistiger Behinderung zu ändern. Jesus sagte immer wieder, dass wir werden sollen wie Kinder, uns nicht so viele Sorgen machen sollen ….. und ich erlebe mit welcher beneidenswerten Selbstverständlichkeit meine Kinder mit geistiger Behinderung glauben.

Schon seit vielen Jahren wollte Benni ein Tattoo und wir versuchten dies lange hinaus zu zögern um ihn zu schützten das Tattoo bzw das Motiv des Tattoos vielleicht später zu bereuen. Nachdem Benni aber nun über Monate täglich vom Tattoowunsch sprach und ganz klar ein Kreuz wollte „um den Menschen zu zeigen woran ich glaube“ zogen wir also los ins Tattoostudio. Der Tätowierer fragte vor dem ersten Nadelstich mehrmals nach, ob sich Benni wirklich sicher sei, dieses Motiv zu wollen. Er fragte Benni ob er sich dessen bewusst sei, dass er damit sicherlich auch von Einigen Spott und Kritik ernte, aber Benni blieb hartnäckig bei seinem Wunsch und nun ist er super stolzer Tattooträger. Für Benni ist sein Glaube an Jesus eine völlig normale Sache, er vertraut, dass Jesus ihm zuhört, sein Freund ist, ihn sieht und ihn beschützt. Die Millionen Fragen die wir „normalen gläubigen Erwachsenen“ uns oft stellen sind ihm fremd und nicht selten beneide ich ihn dafür!

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Unser Benni ist groß geworden, viel selbständiger und wird immer mehr flügge. Das ist nicht immer leicht für uns als Eltern, wissen wir doch, dass in der Welt nicht nur nette Menschen unterwegs sind. Menschen wie unser Benni können schnell von anderen Menschen ausgenutzt werden, eignen sich gut um sich über sie lustig zu machen und falsch eingeschätzt zu werden. Wir müssen und wollen ihn aber immer mehr Schritte hin zur Selbständigkeit gehen lassen um ihm ein maximal selbständiges Leben zu ermöglichen.

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Weisst du, dass euer Benni raucht?

Nicht nur einmal wurden wir von besorgten Freunden darauf angesprochen, dass sie Benni beim Rauchen in der Stadt gesehen hatten. Uns als Eltern wundert das absolut nicht. Schon als Kind fand Benni rauchende Menschen super anziehend, drehte sich Fake-Zigaretten und stellte sich rauchenspielend daneben, fragte als Teenie öfter ob er auch mal rauchen dürfe… Was also tun? Es verbieten? Da Verbote spätestens im Erwachsenenalter keine wirkliche Relevanz mehr haben setzten wir uns mit Benni zusammen. Wir besprachen wieviel Zigaretten er in der Woche rauchen wolle, er kaufte ein paar Wochen lang Zigaretten, kam dann zu dem Schluss dass die Mutter Recht hatte als sie vorrechnete, dass E-Zigarette günstiger (und auch etwas weniger schädlich!?) ist – und so machten wir uns auf um so eine Zigarette und das dazugehörige Zubehör zu kaufen…

So ändern sich mit zunehmendem Alter der Kinder unweigerlich auch die Aufgaben und Themen der Eltern.

Wir sind dankbar für unseren großen, erwachsenen Sohn und gespannt auf die nächsten Schritte hin zu noch mehr Selbständigkeit, einen Auszug irgendwann und was noch so alles kommt.