oder: „Was lernen wir daraus?“
Ganz spontan war ich 3 Tage meine Eltern besuchen – ganz alleine und mit 100% Fokus auf sie.
Jetzt sitze ich im Zug zurück zu Mann und Kindern und lasse meine alte Heimat und meine Eltern zurück…. Wieder einmal werden uns die nächsten Wochen über 600 Kilometer räumlich trennen und jedes Mal wird der Abschied wehmütiger!
Papa lebt seit ein paar Monaten im Pflegeheim weil er 24/7 Betreuung und Pflege benötigt die zuhause nicht mehr machbar war. Meine Mama (meine größte Heldin!) hat Jahre lang alles gegeben um diesen Schritt zu vermeiden, und musste schlussendlich einsehen, dass Kraft endlich ist und Liebe und Kampfgeist nicht alles schaffen können.
Die letzten 3 Tage waren gefüllt mit Emotionen. Stundenlang saß ich am Bett meines Papas, der mich mit großen Augen anschaute und ständig wiederkehrend fragte warum ich ihm nicht helfen könne sterben zu dürfen, viel schlief und dabei meine Hände fest hielt und dazwischen ganz kurze, klare Momente hatte. In einem dieser Momente nahm mich mein Papa fest in den Arm und sagte „Kathrin ich hatte viel zu wenig Zeit für euch Kinder. Das tut mir leid.“
Ich beschwichtigte ihn, dass das nicht so gewesen sei und er uns durch seine viele Arbeit ein tolles Leben ermöglich habe und sein unermüdlicher Aktivismus uns Kinder zu anpackenden und engagierten Menschen habe heranwachsen lassen.

Seine Worte klingen trotzdem laut in mir nach und haben mich sehr nachdenklich gestimmt!
Mein Papa war tatsächlich in meiner Kindheit und Jugend unglaublich viel unterwegs. Er leitete mehrere Werkstätten für behinderte Menschen und die dazugehörigen unzähligen Wohngruppen, gründete in unserem Dorf den Sportverein, spielte aktiv Tennis und Tischtennis, war passionierter Jäger, liebte das Skifahren und Langlaufen, ritt, spielte im Posaunenchor, war ab dem Rentenalter viele Jahre ehrenamtlich Geschäftsführer der Lebenshilfe, führte über Jahrzehnte die Kasse des Lions- Clubs und war immer ganz vorne wenn es aktiv was zu tun gab ….. – kein Wunder also, dass er vor über 30 Jahren das Bundesverdienstkreuz verliehen bekam.
Mein Papa – ein „Hans Dampf in allen Gassen“.
Ich fand es früher immer toll , dass mein Papa so viel aktiv war und meine Mama das alles mit trug und ihm all das ermöglichte!
Erst heute als Mutter kann ich immer mehr erfassen, dass meine Mama diejenige war, die das Zuhause rockte, uns Kids zu all unseren Hobbies fuhr, mit uns lernte , uns anfeuerte, Haushalt und co managte, Feste organisierte, mit uns Klamotten einkaufte und zum Arzt fuhr und dabei auch noch selber stundenweise arbeiten ging – und im Rückblick nie darüber klagte und wohl kaum Zeit für „metime“ oder „selfcare“ hatte.
Ein bisschen haben wir davon die letzten 3 Tage aufgeholt, waren im Konzert, Essen, Spazieren und schwelgten in Erinnerungen …

Mein Papa ist ein Mann der Sprichwörter und Zitate. Eines davon: „Was lernen wir daraus?“
Das ist meine große Frage !!! Was lerne ich aus diesen Erlebnissen der letzten Tage ?
Ich versuchte diese Tage immer wieder mit meinem Papa über Erinnerungen zu reden, erzählte ihm lustige Anekdoten, fragte wozu er am meisten Lust hätte wenn er es körperlich könnte, was er vermisse ….
Die erschreckend ehrliche Antwort: „Alles was ich gemacht hab und mir so wichtig war interessiert mich nicht mehr! Wenn ich nachdenke, dann nur über unsere Familie.“
Meine Mama sagt immer wieder „Alt werden ist nix für Feiglinge!“ und oh ja wie Recht sie hat! Unser irdisches Leben ist endlich und wie und wann es enden wird wissen wir nicht. Fakt ist, dass keiner als Pflegefall im Heim liegend enden möchte. Aber das haben wir nicht wirklich in der Hand. Viel wichtiger scheint mir dadurch, noch bewusster jeden gesunden Tag zu erleben und die kleinsten Dinge zu feiern.
Die Zeit kann man nicht zurück drehen!!!
Es tat so gut Zeit als Tochter zu haben mit meinen Eltern! Ruhe, Ausschlafen, ungestörtes Zuhören…. – unglaublich schön ABER ich kann das Ende der Zugfahrt kaum erwarten, um dann meine XXLfamilienmitglieder einzeln in die Arme zu schließen! 2 von 7 haben mir am Telefon schon versprochen, mich auch zu besuchen „wenn ich dann so alt bin wie Opa“…. – ein schöner Ausblick. Bis dahin möchte ich so gut es geht für meine Familie da sein, wohlwissend, dass ich absolut nicht perfekt bin und es vermutlich schon in wenigen Stunden (oder Minuten ?) Momente geben wird, wo ich es richtig vermasseln werde.
Unser 6jähriger fragte mich am Telefon: „Mama warst du auch mal ein Baby?“
Das war ich, und ich hatte das Privileg in einer wundervollen Familie aufzuwachsen und jetzt ist es wohl an mir, das weiter zu geben – an meine Kinder ABER auch meinen Eltern was zurück zu geben aus Dankbarkeit!
Jede:r von uns hat Eltern und ganz unterschiedliche Gefühle und Erlebnisse die sie/er damit verbindet.
Für mich ist es einfach und schön und ein inneres Bedürfnis den Kontakt zu meinen Eltern zu pflegen. Vielleicht ist es für dich die/der du das liest alles Andere als schön und leicht – trotzdem hoffe ich für dich, dass du irgend etwas Gutes findest an deiner Kindheit und du das deinen Eltern sagen kannst bevor es zu spät dafür ist.
Mein Papa hat jede Feier und Party mit den Worten „die Feierstunde ist beendet“ zu Ende gebracht – notfalls öffnete er auch gern die Fenster um resistente Gäste vollends deutlich zu machen was seine Worte nicht schafften.
Wann unser aller irdische persönliche Feierstunde zu Ende sein wird wissen wir nicht. Können wir und sollten wir meines Erachtens auch nicht selber beeinflussen. Was wir beeinflussen können sind die Tage dazwischen.
Lasst uns offen bleiben für kleine Gründe zur Dankbarkeit, versuchen die Welt mehr aus den Augen der Kinder zu sehen und so viel Liebe wie möglich aneinander verteilen!

Liebe Kathrin 🤗
Vielen lieben Dank für diese wunderschön formulierte Zeilen
… mir gingen in den letzten Minuten Erinnerungen toller Stunden der letzten Jahrzehnte durch den Kopf die ich mit Dir und Deiner Familie
Teilen durfte voller Dankbarkeit hab bissle pippi in den Augen ,kann es gar nicht glauben wo die Zeit geblieben ist(wenn das ich schon sage🙈) doch so ist es weiß noch als Deine Geburt bekannt gegeben wurde😘
Liebe Kathrin bin ja nicht so weit von Deinen Eltern entfernt doch der Alltag bremst uns arg aus richte bitte ganz liebe Grüße an deine Eltern von mir aus
Wünsche Dir ganz viel Gesundheit und Kraft für Dich und Deine Familie und freue mich jetzt schon bis wir uns mal wiedersehen
Lass Dich aus der Ferne ganz feste Drücken
Liebe Grüße Moni